Lieferkettentransparenz vom Feld bis ins Regal

Berliner Startup verschafft Unternehmen USP durch Transparenz entlang der Lieferkette

Ana Haberbosch ist Mitgründerin und Geschäftsführerin von seedtrace, einer digitalen Plattform mit der Nachhaltigkeits- und Lieferkettendaten gemanagt, nachgewiesen und nach außen kommuniziert werden können. Gemeinsam mit zwei weiteren Mitgründer*innen führt sie das mittlerweile 13-köpfige Tech-Startup in Berlin.

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Die Gründer*innen des Berliner Startups seedtrace haben es sich zum Ziel gesetzt, Lieferkettentransparenz zur Norm zu machen. Auf ihrer dafür entwickelten Plattform sammeln und dokumentieren sie für alle nachvollziehbar Angaben zum lückenlosen Nachweis der sozialen und ökologischen Auswirkungen entlang der Lieferkette. Dabei spezialisieren sie sich auf Lebensmittelprodukte und stärken die Kooperation zwischen allen Akteuren. Auf Basis klarer Wirkungsstandards werden Nachhaltigkeitsbehauptungen der Unternehmen kategorisiert und sofern möglich bewiesen. Kritische Daten werden dabei dezentral auf einer emissionsarmen Blockchain gespeichert. Unternehmen können unter anderem Kennzeichnungen wie etwa Bezahlung über dem Mindestlohn, Frauenförderung oder recycelbare Verpackungen erhalten. „Um Greenwashing entgegenzuwirken und einen Wandel in großem Maßstab voranzutreiben, brauchen wir verlässliche Informationen, die auf Knopfdruck zur Verfügung stehen. Dabei gilt es zu verstehen, wo die Daten herkommen und was sie bedeuten – und nicht nur wo sie gespeichert werden“, unterstreicht Ana. Im Anschluss werden die Ergebnisse direkt mit den Endkonsument*innen geteilt – z. B. über einen QR-Code oder Webshop-Integrationen.

Die Gründung im Juni 2020 kam angesichts des steigenden Drucks zur Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards entlang weltweiter Lieferketten zu einem günstigen Zeitpunkt. Denn bislang gab es kein verpflichtendes Gesetz zur Einhaltung von Menschrechts- und Umweltstandards für globale Wertschöpfungsketten. Warum braucht es ein solches Gesetz? Ein Beispiel dafür: heutzutage arbeiten immer noch fast 80 Millionen Kinder unter menschenunwürdigen Bedingungen in Fabriken und auf Plantagen weltweit. Um ein Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit sicherzustellen, setzt sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) bereits seit Jahren für ein „Lieferkettengesetz“ ein. 2021 einigte sich die deutsche Bundesregierung schließlich auf einen entsprechenden Gesetzesentwurf[1].

Das sogenannte Liefer­ketten­sorgfalts­pflichten­gesetz stellt klare Anforderungen an Unternehmen. Ab 2023 müssen Betriebe mit mehr als 3.000 Mitarbeiter*innen (ab 2024 jene mit mehr als 1.000 Beschäftigten) sowohl im eigenen Geschäftsbereich als auch bei unmittelbaren Zulieferern diverse Maßnahmen umsetzen:

  1. Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte
  2. Risikoanalyse
  3. Risikomanagement
  4. Beschwerdemechanismen
  5. Transparente Berichterstattung

Um mögliche Risiken frühzeitig zu erkennen, müssen diese Unternehmen in Zukunft also auch ihre Zulieferer genauestens unter die Lupe nehmen. Umso erfreulicher ist es, dass die von seedtrace entwickelte Software betroffene Betriebe genau dabei unterstützt. Gemeinsam mit dem zuständigen Projektteam definiert seedtrace, wie die fünf Prozessschritte am besten praxisgerecht umgesetzt und in unternehmensinterne Prozesse und digitale Managementsysteme integriert werden können. Indem die Lieferkettennachweise im Ressourcenmanagement abgebildet werden, trägt seedtrace dazu bei, dass Unternehmen den gesetzlichen Anforderungen zur transparenten Berichterstattung gerecht werden, und verschafft ihnen obendrein einen klaren USP.

Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2019 erhöhen detaillierte Informationen über die Nachhaltigkeit eines Produkts die Wahrscheinlichkeit einer Kaufentscheidung bei sieben von zehn Befragten[2]. Eine von EY durchgeführte Studie bestätigt, dass zwei Drittel der Konsument*innen in Deutschland bereit sind, mehr Geld für nachhaltige Alternativen auszugeben[3]. Durch eine transparente, auf geprüften Daten basierende Kommunikation, verschafft seedtrace seinen Kund*innen somit einen klaren Wettbewerbsvorteil.

Viele Unternehmen sind angesichts globaler Unsicherheiten zögerlich, wenn es um die Umsetzung neuer und innovativer Prozesse geht. Gleichzeitig können Herausforderungen wie Nachhaltigkeit und Transparenz entlang globaler Lieferketten nicht allein gelöst werden. Die Unterstützung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit weiß Ana daher sehr zu schätzen. Besonders erfreut ist sie über die durch leverist.de entstandene Zusammenarbeit mit dem Business Scouts for Development (BSfD) Programm. Die Business Scouts beraten Unternehmen wie seedtrace in entwicklungspolitischen Fragen und fördern verantwortungsvolles unternehmerisches Engagement durch Kooperationsprojekte. „Uns ist es wichtig, möglichst einfache praxistaugliche interoperationale Instrumente zu entwickeln, die es erlauben, den befürchtet hohen Verwaltungsaufwand digital zu minimieren und zugleich die Schnittstellen in den digitalen Unternehmensprozessen zu erfassen. Unter Wahrung von Datenschutz, vor allem dem Schutz im Wettbewerb sensibler Daten zu Beschaffungsquellen, ist das mit seedtrace möglich“, erläutert Mathias Brandt, Business Scout bei der Industrie und Handelskammer (IHK) Koblenz, die als IHK-Kompetenzzentrum für die Lieferkette den Ansatz unterstützt.

Zu dem Mehrwert von leverist.de betont die Geschäftsführerin von seedtrace: „leverist.de bietet den idealen Anknüpfungspunkt an die deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Auf leverist.de können wir in kürzester Zeit nach gleichgesinnten Partnern wie etwa den Business Scouts suchen und so gemeinsam an Lösungen für globale Probleme arbeiten“.

Finanzielle Unterstützung im Rahmen innovativer Produktentwicklung erhofft sich Ana insbesondere auch von der sequa, bei der sie gemeinsam mit Business Scout Mathias Brandt (IHK Koblenz) und Tamara Moll (IHK Potsdam) kürzlich ein Projektkonzept für den Business Scout Fund eingereicht hat. Im Rahmen dieser Kooperation wollen sie die Lieferkette von fünf deutschen KMUs abbilden. Dazu gehört neben der digitalen Einbettung von seedtrace in die EDV-Systeme der teilnehmenden Firmen und der Abbildung auf Blockchain gesicherten Datenbanken auch die Prozessberatung zu den genannten, gesetzlich geforderten, fünf Etappen der Lieferkettensorgfalt.

Als Business Development & Sales Managerin ist Ana überzeugt, dass seedtrace das nötige Potential hat, um sich als die Plattform für Lieferkettentransparenz zu etablieren: „Indem wir eine wichtige und lange vergessene Brücke zwischen Produktursprung und Verkaufsort schaffen, wollen wir Verbraucherinnen und Verbraucher mit den notwendigen Informationen ausstatten, um ihnen eine bewusste Kaufentscheidung zu ermöglichen“. Denn nur unter solchen Umständen könne das Konsumverhalten nachhaltig verändert werden.

Sie möchten mehr über das Kooperationsprojekt zwischen seedtrace und der deutschen Entwicklungszusammenarbeit erfahren? Im zweiten Teil dieser Serie geben wir einen tieferen Einblick in das Projekt, die teilnehmenden Unternehmen und ihre Produkte. Erfahren Sie mehr zu nachhaltigen Lieferketten auf leverist.de

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Die Business Scouts for Development (BSfD) sind als entwicklungspolitische Expert*innen in rund 40 Ländern der Welt tätig. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) beraten sie deutsche, europäische und lokale Unternehmen in entwicklungspolitischen Fragen. Außerdem fördern sie verantwortungsvolles unternehmerisches Engagement durch Kooperationsprojekte. Sind Sie an einer Zusammenarbeit interessiert? Auf leverist.de können Sie nach dem zuständigen Business Scout suchen und direkt online kontaktieren.

leverist.de ist eine kostenlose Online-Plattform, die von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) betrieben wird. Die Plattform bietet zahlreiche Kooperationsmöglichkeiten mit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und vernetzt interessierte Unternehmen mit Expert*innen vor Ort.

[1] BMZ Lieferkettengesetzt, 2022. Lieferkettengesetz | BMZ

[2] Inriver Studie, 2019. Nachhaltigkeit und Transparenz begünstigen Kaufentscheidung

[3] EY Studie zu Nachhaltigem Konsum, 2020. ey-nachhaltiger-konsum-2020.pdf

© Hero & Body Image: Annie Spratt, Unsplash 2016 & 2017.


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leverist.de hat eine Sondermaßnahme zur Unterstützung von Unternehmen in der Ukraine und Moldau sowie Hilfsorganisationen in Deutschland aufgesetzt. Mehr Informationen auf den dafür eingerichteten Sonderseiten.